Tag 4
Eine Not-E-Mail eines Jugendlichen in Deutschland wird beantwortet

„Ich bin fast 16 und ich ritze mich schon seit einem Jahr…"

Not-E-Mails helfen jungen Menschen in seelischer Not

„Ich bin fast 16 und ritze mich schon seit einem Jahr. Ich habe keinen, dem ich so was anvertrauen könnte - nicht mal mehr meinen Eltern. Für die bin ich eh eine Versagerin.“ Das ist einer von über 85.000 Hilferufen, die in den letzten 14 Jahren an jugendnotmail.de geschrieben wurden. Julia M. ist Psychologin und arbeitet ehrenamtlich als Onlineberaterin bei jugendnotmail. Täglich erhält sie Notmails von Jugendlichen in verzweifelten Lebenssituationen. Dabei geht es um Selbstverletzung, Familienprobleme, Depressionen, Essstörungen und viele andere Probleme. Zusammen mit den Ratsuchenden erarbeitet sie individuelle Lösungen. Sie „hört“ ihnen zu, bietet Hilfe zur Selbsthilfe, unterstützt sie bei der Suche nach einem Vertrauten in der Umgebung und stärkt sie in ihrer Lebenssituation. „Es tut gut zu wissen, dass sich jemand um mich Sorgen macht. Ich fühle mich nicht mehr so alleine. Danke. Durch Dich habe ich irgendwie so etwas wie Hoffnung gekriegt. Auch wenn ich Angst habe, alle diese Schritte zu gehen, will ich darum kämpfen.“

Notwendigkeit

 

Anonyme und kostenlose Onlineberatung für Kinder und Jugendliche in seelischer Not deutschlandweit.

Aktivität

 

Ehrenamtliche PsychologInnen und SozialpädagogInnen vermitteln in der Onlineberatung Lösungswege für Kinder und Jugendliche in Krisensituationen.

Zählbare Leistung

Nach ca. 12 Monaten

Anzahl der jungen Menschen in seelischer Not die durch eine psychosoziale Onlineberatung Unterstützung erhalten haben.

Ergebnis

Nach ca. 3 Jahren

Bei insgesamt weniger Kindern und Jugendlichen entwickeln sich Sorgen und Probleme zu psychischen Krankheiten.

Systemrelevante Wirkung

Nach ca. 7 Jahren

Langfristig kann ein allgemeiner Rückgang psychischer Erkrankungen bei jungen Menschen beobachtet werdem.

Hintergrund

Seelische Erkrankungen zählen zu den häufigsten Krankheiten von Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Einer Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland des Robert-Koch-Instituts (2014) zufolge weisen 20 Prozent der unter 17-Jährigen psychische Auffälligkeiten auf. 10 Prozent zeigen deutlich erkennbare Störungen und müssen behandelt werden. Experten rechnen damit, dass diese Zahl in den nächsten Jahren dramatisch zunehmen wird. Schon heute ist der Suizid bei Kindern und Jugendlichen die zweithäufigste Todesursache nach dem Unfalltod (Statistisches Bundesamt, 2013). Diese Tendenz belegt auch die Nutzerstatistik von jugendnotmail.de. Seitdem das Projekt 2001 von dem Verein jungundjetzt e.V. ins Leben gerufen wurde, sind die Notrufeingänge stetig gestiegen. Diese Zunahme erklärt sich auch durch das geänderte Kommunikationsverhalten von Kinder und Jugendlichen. Das Medium Internet bietet den jungen Menschen heutzutage einen virtuellen Raum, in dem sie sich aufhalten und kommunizieren können. Während 2010 nur 14 Prozent der 12- bis 19-Jährigen ein eigenes Smartphone hatten, besitzen heute 88 Prozent ein solches. Nahezu alle Smartphones der Jugendlichen (94 Prozent) sind internetfähig (JIM-Studie, 2014).

Die gute Tat

Auf der Onlineplattform jugendnotmail.de können Kinder und Jugendliche, die in seelische Not geraten sind, Beratung und Unterstützung bekommen: anonym und kostenfrei. Ehrenamtliche Fachkräfte aus den Bereichen Psychologie und Sozialpädagogik beraten zu rund 20 Themenkomplexen wie Depression, Selbstverletzung, Gewalt, Angst, Mobbing, Missbrauch, familiäre Probleme und Essstörungen. Im Dialog mit den Ratsuchenden erarbeiten die BeraterInnen individuelle Lösungen für die entsprechenden Krisensituation und geben Hilfestellungen, weitere Schritte zu gehen. Junge Menschen haben in ihrer Not häufig keinen Ansprechpartner, dem sie sich anvertrauen können. So behalten sie ihre Sorgen für sich, was mit der Zeit immer belastender werden kann. Jugendnotmail.de bietet die niedrigste Hemmschwelle, die ein Beratungsangebot leisten kann. Online und anonym fällt es jungen Menschen leichter über schwierige, belastende, tabuisierte, oder intime Dinge zu berichten. Angst- und schambesetzte Themen können direkter angesprochen werden. Jugendnotmail.de wirkt präventiv, holt die Jugendlichen dort ab, wo sie sich aufhalten und weist frühzeitig Lösungswege auf, die der Entwicklung von psychischen Erkrankungen entgegenwirken können. Die Onlineberatung stärkt die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und entlastet dadurch die Eltern und Bildungseinrichtungen.

Herausforderung

Die Anzahl der Not-E-Mails ist so stark angestiegen, dass jugendnotmail für Neuanmeldungen gelegentlich gesperrt werden muss, damit die BeraterInnen die Möglichkeit haben, die Hilferufe auf der Warteliste zeitnah zu bearbeiten. Zudem existiert durch das ehrenamtliche Engagement eine hohe Fluktuation im Beratungsteam. Um ein beständiges und größeres Beratungsteam aufzubauen, ist es wichtig, Strukturen zu schaffen, die eine engere Betreuung der Beratenden und eine langfristige Bindung an das Projekt ermöglichen. Deshalb ist eine deutschlandweite Expansion durch die Einrichtung mehrerer Standorte geplant.

ÜberDeutschland

Berlin

Hauptstadt

80 651 900

Einwohnerzahl

47 590 USD

Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf pro Jahr

6

Human Development Index
(Index der menschlichen Entwicklung)

Schlusslicht im europäischen Vergleich: Deutschland ist nicht kinderfreundlich (Umfrage der Stiftung für Zukunftsfragen, 2012)